Das von Egon Eiermann 1951-1953 erbaute Gebäude diente bis 1977 der Vereinigten Seidenwebereien AG Verseidag) als Hauptverwaltung. Danach wurde es als technische Rathaus der Stadt Krefeld genutzt, bekannt als das “Stadthaus”. Es ist ein bedeutendes Baudenkmal der deutschen Nachkriegsarchitektur der 1950er Jahre.
Sehenswert ist insbesondere der markante dreigeschossige Flachbau, mit dem über die Vorfahrt ragenden Vordach.
Geschichte und Hintergrund
Mit dem Neubauvorhaben der zentralen Produktionsstätte für die Verseidag an der Girmesgath, wurde von Mies van der Rohe ein Masterplan für die Bebauung des gesamten Geländes des erschaffen. Am 500 m von dort entfernten heutigen Konrad-Adenauer-Platz wurde auch eine neue Hauptverwaltung geplant. Mies van der Rohe emigrierte jedoch in die USA und der 2. Weltkriege unterbrach das Bauvorhaben.
Nach dem Krieg nahm die Produktion schnell wieder Fahrt auf und das Bauvorhaben wurde fortgesetzt. Als Architekt wurde Egon Eiermann gefunden.
Egon Eiermann
Nach seinem dem Architekturstudium an der Technischen Hochschule Berlin bei Hans Poelzig machte sich Eiermann 1931 selbständig. Die Staatsarchitektur des III. Reichs lehnte Egon Eiermann ab und baute daher gerne für die Industrie. Ihm ging es besonders um die Sichtbarmachung der Funktion, die Einbindung der Bauwerke in die städtebauliche Situation und Gegebenheiten. 1947 ist Eiermann Professor an der Technischen Hochschule in Karlsruhe.
Foto: Carsten Wolff, Bundesministerium der Finanzen und die Deutsche Post AG, Gemeinfrei, Link
Am Konrad Adenauer Platz errichtete Egon Eiermann einen 125 Meter langen Verwaltungsbau für die Büros der Unternehmensleitung der Verseidag. Obwohl die Länge gewaltig ist, erscheint der Bau im Verhältnis zu seiner geringen Geschossanzahl nicht gedrungen.
Dieses gestaltprägende Element erhielt mit seinem oberen, als Schwingflügel konstruierten Fenster und den beiden unteren Klapp-Verbundfenstern etwas Leichtes und Spielerisches in dem klar durchdeklinierten Fassadenraster. Wie schon Mies bei seinen Verseidag-Bauten entwickelte Eiermann die Fenster, die in limitierter Stückzahl für diesen Bau angefertigt wurden in Zusammenarbeit mit der Firma Fenestra-Crittall. Mehr zu den Fenstern ist in Heft 37 “Moderne Materialien und Konstruktion” des LVR- Amt für Denkmalpflege im Rheinland zu lesen: Heft 37 pdf
Das langgestreckte Vordach lädt zum Besuch ein und nach dem Erklimmen der Treppe wandelt man, einem Mode-Laufsteg gleich, über eine Brücke unter dem schwebenden Dach, dem Eingang entgegen.
Nun kommen die Eiermann typischen und recht besonderen Fenster ins Sichtfeld. Oberen als Schwingflügel konstruiert, die unteren als Klapp-Verbundfenster. Sie geben der stark gegliederten Fassade eine besondere Leichtigkeit. Aufstellbare Elemente sind als geschickt als Rollläden ausgeführt. Wie schon Mies van der Rohe bei den zentralen Produktionsbetrieben, entwickelte Egon Eiermann diese Fenster als Sonderanfertigung mit der Firma Fenestra-Crittall.
Anthrazitfarbene Mettlacher Platten bilden den Kontrast zu den weiß gestrichenen Fensterrahmen. Dieses Stilelement sollte sich auch in Eiermanns Verwaltungsgebäude der Essener Steinkohlenbergwerke AG zeigen, das Gebäude wurde ebenso als Stahlbetonkonstruktion im Stil der Nachkriegsmoderne 1956 bis 1960 mit keramischen, diesmal natürlich schwarzen Fliesen und außen bündig abschließenden Fenstern erbaut.
Eiermann hat in der Folge einige weitere herausragende Gebäude erschaffen, besonders erwähnenswert sind die Pavillons der Bundesrepublik Deutschland zur Weltausstellung EXPO 1958 in Brüssel die erstmals nach dem Ende des Weltkrieges zu einem Symbol eines neuen, bescheidenen und weltoffenen Deutschlands der Nachkriegszeit wurden.
Egon Eiermanns weitere Gebäude wie z. B. die Gedächtniskirche in Berlin 1959-1963, die Deutsche Botschaft in Washington D. C. 1959–1964, das Abgeordnetenhochhaus des deutschen Bundestags in Bonn (der “lange Eugen”) 1965–1969, die Olivetti-Hochhäuser in Frankfurt/Main 1968–1972 als kurze Auswahl zeigen, welches bauhistorische Juwel in Krefeld erschaffen wurde und wie einflussreich Eiermann als Professor war. Er prägte eine ganze Generation junger Architekten.
Das Stadthaus der Stadt Krefeld
Betroffen von der Krise in der Textilindustrie in den 1960er-1970er Jahren, baute die Verseidag in der Folge in großen Umfang Stellen ab. Bereits 1968 wurde die Villa Haus Lange an die Stadt veräußert, 1976 Haus Esters. Auch der Gebäudekomplex am Konrad-Adenauer-Platz kam an die Stadt Krefeld. Die als ‚Stadthaus‘ bezeichnete Liegenschaft wurde von 1979-81 zum technischen Rathaus umgebaut und wird in Teilbereichen bis heute genutzt.
Erhalt
Unter der Überschrift “Rechenkünstler am Werk” titelt die deutsche Bauzeitung am 09.09.2019: “Jahrelang hat sie am Unterhalt gespart und ihren Verwaltungsbau von Egon Eiermann herunterkommen lassen. Nun kehrt die Stadt Krefeld dem Gebäude endgültig den Rücken, statt es denkmalgerecht instandzusetzen – eine kultur- und finanzpolitische Farce.” Das Gebäude soll nach dem Sankt-Florian-Prinzip verkauft werden, der Erhaltungszustand ist bereits kritisch.
Darf die Stadt Krefeld das Stadthaus überhaupt behalten? Eher nicht.
Mehr zum Stadthaus unter
https://www.industriekultur-krefeld.org/index.php/verseidag-hauptverwaltung/
und
Und im Exposé zum Verkauf
http://web.archive.org/web/20210814095700/https://www.krefeld.de/c1257cbd001f275f/files/expose_stadthaus_stand_30.07.2021.pdf/$file/expose_stadthaus_stand_30.07.2021.pdf?openelement
Fenster im Baudenkmal:
Wert – Pflege – Reparatur
Dokumentation zum 25. Kölner Gespräch zu Architektur und Denkmalplege in Brauweiler, 13. November 2017:
Vereinigte Seidenwebereien AG
Geschichte
von Stefanie van de Kerkhof
Bauwerke
von Denise Hesselmann
und Henning Bleul
Hauptverwaltung
(Stadthaus)
von Sabine Lepsky
Zentrale Betriebsstätte
von Sabine Lepsky